Die Fußwaschung als Sakrament

Schon seit Jahren will ich diesen kleinen Beitrag schreiben. Er wurde nie so richtig rund, was auch daran liegt, dass mir einige theologische Fachkenntnisse fehlen. Da mir die Gedanken aber am Herzen liegen, schreibe ich sie jetzt einfach trotzdem nieder.

Es geht um die Fußwaschung, wie sie im Johannes-Evangelium (Kapitel 13) beschrieben ist. Und es geht um die Frage, warum sie eigentlich kein Sakrament ist. Denn die Parallele in den synoptischen Evangelien – also bei Matthäus, Markus und Lukas – ist ja das Abendmahl, ein Sakrament.

Ich möchte an dieser Stelle einfach eine Lanze für die Fußwaschung als Sakrament brechen. Mir wäre es dabei gleich, die Fußwaschung als sakramentalen Bestandteil des Abendmahls hinzu zu fügen oder sie als eigenständiges Sakrament zu verstehen.

Für mich spricht eigentlich alles dafür, dass sie eins ist. Es ist eine zeichenhafte Handlung, die Gottes Wirken verdeutlicht; zudem hat sie unmittelbaren Bezug zum Handeln Jesu. Die Anzahl der Sakramente ist im Protestantismus ja nicht sakrosankt, sie ist – eigentlich – ohne Weiteres änderbar. Die Versuche, zu rechtfertigen, warum die Fußwaschung kein Sakrament sein kann, wirken auf mich nie so recht überzeugend.

Warum diesen Gedanken also nicht einmal ernsthaft erwägen? Ich habe bisher nicht viel dazu gefunden. Anregend finde ich diesen Artikel von Hanna-Renate Laurien in der Berliner Zeitung vom 16.12.2000. Das Magazin von Andere Zeiten greift die Fußwaschung in seiner aktuellen Ausgabe auf, allerdings mehr als spirituelles Erlebnis, weniger als Sakrament. Dort wird auch erwähnt, dass es in der evangelischen Theologie wohl gegenwärtig eine gewisse Neubesinnung dieses Themas gebe – wir werden sehen.

Zwei Dinge sind’s, die es mir  angetan haben: die Körperlichkeit der Handlung und die Versinnbildlichung von Teilhabe.

Zu glauben ist eigentlich eine recht körperliche Sache. Doch leider nur eigentlich. Glauben hat – zumindest im Protestantismus – ja immer so ein bisschen den Touch einer Bildungsveranstaltung. Auf jeden Fall geht es eng mit Reflektieren einher. Jesus berührte hingegen ständig die Leute. Und eben nicht nur im übertragenen Sinne, er fasste sie richtig an: Er bohrte in ihren Ohren, beschmierte sie mit Brei, wusch Füße. Und er ließ sich anfassen: Er ließ sich mit Tränen waschen und mit Haaren trocken und nach seiner Auferstehung durften die Jünger in seinen Wunden rumpulen. Dass solch ein Körperbezug abhanden gekommen ist, hat sicherlich viele Gründe. Wahrscheinlich wird sich wohl die Angst vor der eigenen Körperlichkeit und die (Über-)Betonung des Intellekts gegenseitig verstärkt haben. Und die Fußwaschung betont nun – wieder – genau diese Körperlichkeit, setzt sie wieder ins Recht. Es gibt ja den Spruch, dass wir heute oversexed, but underfucked sind. Egal, ob nun over- oder underfucked, protestantisch sind wir wohl vor allem undertouched.

Der zweite Aspekt, der mir bei der Fußwaschung ins Auge springt, ist die Sache mit der Teilhabe. Wenn ich es recht verstehe, hat christliche Teilhabe immer zwei Dimensionen: die Teilhabe an Christus und die Teilhabe (der Christen) untereinander. Das Wesentliche daran: Das Eine geht nicht ohne das Andere. Nun habe ich allerdings das Gefühl, dass das Abendmahl vor allem die Teilhabe an Christus in den Vordergrund rückt. Auch wenn man beim Abendmahl im Kreis steht und sich sogar noch an den Händen fasst, für mich hat das Abendmahlsgeschehen sehr wenig (sehr, sehr wenig) mit Gemeinschaft aneinander zu tun. Auch hier würde das Fußwaschungs-Sakrament wieder etwas zu recht rücken, was verloren zu gehen scheint. Abendmahl und Fußwaschung würden sich wunderbar ergänzen, da kommt zusammen, was zusammen gehört.

Körperlichkeit und Teilhabe, das sind die beiden Aspekte, die mir besonders wichtig sind. Aber es gibt noch etliche weitere Essentials, die für den christlichen Glauben so wesentlich sind und die in der Fußwaschung auf so schlichte und wunderbare Weise deutlich werden: Zum Beispiel die Umkehrung bzw. Infragestellung geltender Wertmaßstäbe durch Jesus dienendes Handeln. Oder die Bedeutung von Geben und Nehmen, von Dienen und Empfangen. Jesus selbst war sowohl Spender als auch Empfänger (Lk 7; Joh 12) dieses Rituals.

Und dann ist da noch etwas: Die Fußwaschung ist nicht nur eine Handlung, sondern auch ein Bild, das so einfach ist, dass es verstanden wird – davon bin ich überzeugt! – auch ohne theologisches Proseminar. Das Abendmahl ist da schon etwas schwerere Kost.

Eine wichtige Frage ist, wo solch ein Sakrament seinen (liturgischen) Platz hätte. Dazu kann ich wenig sagen, ich bin liturgisch etwas unmusikalisch. Allerdings sind mir zwei Aspekte wichtig: Auch wenn die Fußwaschung sachlogisch natürlich mit Gründonnerstag verbunden ist, sollte man vorsichtig sein, sie (ausschließlich) dort zu platzieren. Denn dann hätte sie vor allem mimetische Bedeutung und die Gefahr wäre nicht gering, dass sie zum Mysterienspiel verkäme. Und die Fußwaschung sollte ihr Zuhause auch nicht in liturgischen „Sonderformen“ finden – auch wenn sie dort sicherlich erst einmal Asyl suchen müsste. Wenn sie also hauptsächlich im diakonischen Kontext gepflegt würde oder in Wellness-Wohlfühl-Gottesdiensten eingesetzt wird, dann fände ich das schräg.

Trotzdem: Wenn sich eine Praxis der Fußwaschung entwickelt, wird sie zunächst als Sonderform daherkommen (müssen). Eine schöne Idee finde ich beispielsweise diese hier.

Bleibt noch die Frage: Wäre das nicht sehr intim? Ja, wäre es. Aber: Wäre das schlimm?

Ein Gedanke zu „Die Fußwaschung als Sakrament“

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