Altersgemischte Orte

Auch wenn der Hannover-Junge erst in zwei Jahren in die Schule kommt, wir beschäftigen uns derzeit viel mit dem Thema Schule. Was für eine Schule wollen wir für unsere Kinder? Wir stehen dem Förderwahnsinn und so manchen Bildungsidealen recht kritisch gegenüber und wollen eigentlich nur eins: eine gute Schule. Und genau da fängt es an. Das, was wir unter einer „guten Schule“ verstehen, ist für uns plausibel und einleuchtend – und gleichzeitig merken wir, dass es abseits vom Mainstream ist. Ein merkwürdiges Gefühl.

Ein konkretes Beispiel dazu, und gleichzeitig eine der Sachen, die mir sehr wichtig geworden ist inpuncto Bildung: Ich wünsche meinen Kindern altersgemischte (Lern- und Erfahrungs-)Orte.

Im Kindergarten ist das ja grundsätzlich so und das ist wirklich gut so. Ich merke immer wieder, wie fruchtbar das für Kinder ist. Warum hört das mit der Einschulung dann auf? Das Konzept, altersgleiche Jahrgänge zusammenzupacken, ist bei Lichte betrachtet, großer Bullshit.

Und zwar aus zwei Gründen: Es fördert die Mittelmäßigkeit und es fördert das Konkurrenzdenken. Beides ist nicht das, was ich meinen Kindern wünsche.

Wenn alle dasselbe im selben Tempo lernen sollen, werden zwei Gruppen von Schülern permanent (!) frustriert: die Langsamen und die Schnellen. Die Schnellen sind frustriert, weil sie ständig gebremst werden müssen (und irgendwann selbst anfangen, nur noch mit angezogener Handbremse zu fahren). Die Langsamen sind frustriert, weil sie ständig abgehängt werden. Und wenn sie mal aufgeholt haben, sind die anderen schon wieder weiter. Beide „Randgruppen“ (die zusammen vielleicht sogar die deutliche Mehrheit sind) werden also unentwegt beim Lernen und in ihrer Entwicklung frustriert. Richtig tragisch. Und damit der Schulalltag irgendwie funktioniert, orientiert man sich de facto einfach an den Mittleren. So fördert man durchweg Mittelmäßigkeit. Das ist ebenso tragisch.

Die Schule hat den Auftrag, jungen Menschen Kulturtechniken beizubringen, die sie brauchen, um in dieser Welt klar zu kommmen und sie zu gestalten. Die Schule hat nicht die Aufgabe, Menschen zu beurteilen und zu vergleichen. Die Vergleichbarkeit fördert die Konkurrenz untereinander. Menschen müssen aber in erster Linie lernen, besser miteinander zu kooperieren, als gegeneinander zu konkurrieren. Ich bin niemand, der Konkurrenz an sich verteufelt. Konkurrenz und Wettbewerb kann ich durchaus einiges abgewinnen, nein, ich befürworte das sogar. Aber bezogen auf Ideen und Konzepte – nicht auf Menschen. Unternehmerische Konkurrenz, ja! Wettbewerb von Ideen, unbedingt! Kinder in ihrer Entwicklung miteinander konkurrieren zu lassen, Gift!

Deshalb wünsche ich dem Hannover-Jungen und dem kleinen Wuppertaler altersgemischte Klassen. Früher nannte man das Abteilungsunterricht, heute Mehrstufenklassen. Das ist sicherlich nicht das Allheilmittel, aber es lindert deutlich die beiden geannten Missstände. Und zum Glück gibt es solche Schulen. Nur leider sind sie nicht Mainstream.

update (22.09.2015): Ich beteilige mich mit diesem Beitrag an der Blogparade „Einschulung“ von Mama notes.

2 Kommentare zu „Altersgemischte Orte“

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